Mittendrin

Die Etappe beginnt unauffällig und unverändert. Immerhin verläuft der Weg nach Zofingen mehr oder minder am Waldrand. Die Höhenunterschiede sind jetzt deutlich niedriger wie noch vor Olten. Man kann es im Rückblick sehen. Ich fotografiere ja manchmal gegen die Laufrichtung, weil mir Fotos Richtung Norden mit der Sonne im Rücken deutlich besser gelingen als in Laufrichtung gegen die Sonne. Und da ist es mir aufgefallen. Im Hintergrund sieht man die Berge fast als seien da Schwarzwald oder Vogesen. Es war früh, es war frisch, ich bin gut vorangekommen.

Natürlich kann es nicht so bleiben. Das Tal ist zu queren mit einem ziemlich langen Abschnitt vor und durch eine Ortschaft namens Dagmersellen, abgerundet durch die Autobahn Basel-Gotthard (die wirkliche Via Gottardo also). Der Wanderweg führt sogar über den Kreisverkehr der Autobahnauffahrt und das hört und sieht man. Ich wollte raus, ich war im Stress. Aber es gibt auch was gutes. Erstens habe ich am Weg mit einem Bauarbeiter geplaudert, dessen Dialekt ich so schlecht verstanden habe, dass sogar der Smalltalk (Wo kommst Du her, wo gehst Du hin) nur knapp zustande kam. Schwyzerdeutsch ist wirklich krass. Wenn ich davon was verstehen will, muss ich es eigentlich lesen, da kann ich mir die Bedeutung etwas leichter erschließen. Zweitens sind wieder alle so geschäftig, als Beispiel habe ich ein Neubau festgehalten, wo offensichtlich alle Mitwirkende ihr Plakat anbringen durften.

Baustelle in Dagmersellen

Sehr, sehr oft fehlt übrigens nicht der Hinweis, man sei regional. Genau wie immer darauf hingewiesen wird, das Fleisch, Getränk, was auch immer stamme aus der Schweiz. Und drittens hörte der Stress danach auf. Der Weg biegt aus dem Tal ab auf einen Höhenrücken und bleibt da, und endlich wurde es mal wieder still. Fast habe ich das Gefühl, wieder im Schwarzwald zu sein.

Waldpfad oberhalb Nebikon

Überhaupt ist es Mitte Juli und ich ertappe mich beim Gedanken, jetzt eigentlich durchlaufen zu können. Bis Nizza und Korsika. Die Jahreszeit gibt es her, und auch die Ausrüstung ist am Mann. Denn der Abstieg Richtung Sursee verläuft über offenes Gelände und ich kann nicht nur den See sehen, sondern die Alpen tauchen vor mir auf.

Sempacher See nebst Rigi (ohne Gewähr!)

Aber noch ist es nicht soweit. Die Hitze flirrt über den Feldern, ein Mähdrescher hüllt den Weg in seine Staubfahne ein, und unterwegs komme ich wieder an einem schönen Bauernhof vorbei.

Am Schönbühl

Das Foto ist gemein, denn kein Bauernhof, wirklich kein Bauernhof in dieser Gegend sieht so aus. Was alles nicht auf dem Foto ist: ein großes Wohnhaus, mehrere Ställe und Wirtschaftsgebäude, der Silo, … Aber dies Detail ist hübsch. Und ach ja, man pflegt hier selbstgemalte Schilder vor das Haus zu stellen, mit einem Bild (Storch, Kuh, Kind, Katze, Hund, was auch immer) und Vorname und Geburtstag der Kinder. Dieser Hof hatte 5 Schilder mit immer demselben Namen und demselben Geburtstag ich glaube im März diesen Jahres. Anscheinend die Erstgeborene, anders kann ich mir die Begeisterung nicht erklären. Und wieder fällt mir auf, wie schön das ist, dass die ganzen Höfe hier als Vollbetrieb bestehen, anscheinendend die Bauern ernähren können und alles weit, weit weg von Großgrundbesitz ist. Da erscheint das ganze “Schweiz” auf den Lebensmitteln in anderem Licht. Ich freu mich drüber, auch wenn das mit der Idylle vom Foto eher nichts zu tun hat.

Und es ist auch nicht alles Landwirtschaft. Denn Sursee sagt hallo:

Teile des Surseeparks

Das geht auf der anderen Seite der Glasbrücke noch genau so weiter. Aber ich betrete den Ort ja sozusagen durch den Hintereingang, auf der falschen Seite der Bahngleise, an einem hypermodernen Schulneubau, dem Bahnhof und eben dem Surseepark vorbei. Bis zur Altstadt schaffe ich es heute nicht mehr, mein Hotel Sursee liegt davor und das Wirtshaus Wilder Mann liegt direkt nebem dem Altstadttor. Da habe ich dann morgen noch was zu schauen in Sursee.

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