Doppelschlag

Eigentlich war die Idee, bis Basel durchzugehen. Der Westweg wollte komplett absolviert sein, die Etappe nach Kandern und die Etappe nach Basel in einem Rutsch. Da ich die 46 km vermutlich nicht ganz schaffte, wollte ich über die Burgruine Rötteln nach Lörrach wandern und dann weiter sehen. Vielleicht E-Scooter wie in Frankfurt, oder die Energie reicht doch für mehr, oder … Am Ende wurde es S-Bahn von Lörrach nach Basel, denn wegen des angekündigten Eisenbahnerstreiks am Folgetag musste ich heute schon zurückreisen und also spätestens 17 Uhr am Badischen Bahnhof sein. So ist es etwas verkürzt, aber ich sehe den Westweg als erledigt an und werde ab jetzt Schweizer sein.

Am Anfang war aber der Doppelschreck. Zuerst der Blick zurück zum Belchen, alles schneebedeckt, und nicht nur da. Und dann krachte es plötzlich ziemlich nahe und ein Baum stürzte um. Das waren Forstarbeiten, aber da ich wer weiß wieviele Warnschilder schon gesehen habe ohne je einen Forstarbeiter dazu, habe ich gar nicht mehr an deren Existenz geglaubt. Aber heute war es soweit, es gibt sie. Die Bäume legen sich halt doch nicht von selbst schön parallel gestapelt an den Wegesrand.

Waldarbeiten am Spahnplatz

Der Blauen wiederum war sehr angenehm, auf stillen Pfaden und schmalen Forststraßen war ich schnell oben. Und auch der Blauen hat die Standardgipfelausstattung: Funkturm, Aussichtsturm, Gaststätte. Man lässt sich ja nicht lumpen. Leider hatte die Gaststätte geschlossen, Bauarbeiten.

Der Blauen

Der anschließende lange Abstieg nach Kandern verschwand komplett im Nebel. Unterwegs kamen mir ein paar Wanderer entgegen, auch eine französiche Gruppe, aus der eine Wanderin mich begeistert mit ihren deutschen Sprachbrocken begrüßt hat. Ich konnte mich zum Glück zusammenreißen und habe mir meine eigenen französischen Brocken verkniffen. So waren alle glücklich. Ansonsten hatte ich keine Lust mehr auf noch mehr Nebelfotos. Deshalb fehlt hier die Sausenburg, zum Beispiel. Aber eines hab ich dann doch gemacht:

Der Hexenplatz

Dann kam Kandern. Hier muss der Frühling schon mal gewesen sein, aber nicht heute.

Kandern

Und da war der Schwarzwald zu Ende. Das war von Temperatur, Vegetation, Landschaftsform schlagartig klar. Am zwölften Tag war es vorbei. Ich war wirklich traurig, und der anschließende Weg weiter Richtung Basel fühlte sich ein wenig als verzichtbarer Nachschlag an. Aber zurückgelegt muss er ja trotzdem werden.

Irgendwo weit hinter Egisholz muss Basel sein

Es gab mit der Wolfsschlucht, zwei Weinbergen und lauschigen Orten schon noch einiges zu sehen. Und ich habe den offenen Himmel und den immer weiten Blick tatsächlich genossen. Wie zum Hohn kam auch die Sonne noch raus. Ein paar entscheidende Tage zu spät, fand ich. Burg Rötteln – im Bild ganz oben von der Rückseite angenähert – ist eine richtige Sehenswürdigkeit mit guter Gaststätte und Biergarten. Aber der Weg weiter nach Basel ist schon ein Hatsch und ich war nicht böse, die S-Bahn nehmen zu müssen. Der Abschied fiel schwer, es ist ja auch der Abschied vom deutschen Teil meiner Wanderung. Das war’s dann erstmal, im Sommer geht es weiter in die Schweiz.

Der Belchen

Auf der heutigen Etappe stand mein Lieblingsberg am Westweg auf dem Programm mit einer schönen, fast schon aufregenden Überschreitung. Zwar ist der Belchen eine kahle hohe Kuppe wie andere auch. Aber im Unterschied zu denen hat er steilere und stellenweise recht kahle Flanken, die von schmalen, an manchen Stellen schon etwas ausgesetzten Pfaden durchzogen sind. Die Flanken sind teilweise so steil, dass ich den Weg sehr höhenängstlichen Menschen nicht mehr empfehlen würde. Dazu passend war ein Teilstück des Belchenrundwegs um die Kuppe herum mit Verweis auf alpine Gefahren gesperrt. Die Vegetation ist abwechslungsreich, naturbelassen, wild, und im Abstieg geht es an einigen größeren Felsformationen vorbei. Dazu kommen außergewöhnliche Tiefblicke – wenn man denn was sieht, was auch heute nur bedingt der Fall war. Immerhin gab es weder Wind noch Regen.

Los ging’s ziemlich früh mit einem Lunchpaket des Grünen Baum und einer 4-minütigen Busfahrt von Muggenbrunn hoch nach Notschrei. Dort folgten zunächst einige Hochmoore, und fast am Ende des Westwegs habe ich es diesmal geschafft, die Erklärung dazu zu lesen.

Hochmoor im NSG Langenbach-Trubelsbach

Dann ging’s durch unauffälligen Wald um den Trubelsmattkopf herum zum nächsten Naturschutzgebiet, den Wiedener Weidbergen. Falls ich je reich und landflüchtig werden sollte, ein Hof hier müsste es sein. Wunderschöne Landschaft, offener Blick, keine all zu nahen Nachbarn und die Zivilisation ist auch nur 30 Autominuten entfernt. Na ja, weder reich noch landflüchtig wird voraussichtlich passieren.

Wiedener Weidberge

Von hier aus ging es eine Weile weiter durch Wald, bis der Anstieg auf den Belchen selbst begann. Der dauerte ungefähr eine Dreiviertelstunde in ziemlich konstanter Steigung auf Pfaden, die nicht ganz so schwer zu gehen waren wie die auf den Feldberg. Und zwischendrin musste ich immer wieder anhalten, um den Fernblick zu genießen, mit leichtem Nervenkitzel besonders steile Abhänge hinunterzuschauen, die besondere Vegetation zu bestaunen und mehr. Einen kleinen Eindruck vermittelt vielleicht das Foto.

Vom Belchen ins Münstertal

Der Gipfel war dann wie immer im Nebel, deshalb musste ich mir den Ausblick vorstellen. Das Foto ist aus einer Distanz von 80m vom Kreuz aufnommen, immerhin. Und es gab eine Bronzescheibe, die mir gesagt hat, was ich sehe. Wenn ich was sähe.

Der Belchengipfel

Ich habe das Belchenhaus nebst Belchenlift links liegen gelassen und bin auf direktem Weg weiter. Der Abstieg vom Belchen und dem davor gelegenen Hohkelch war extrem kurzweilig, ich habe ja schon von den steilen Flanken und schmalen Pfaden geschwärmt. Aber irgendwann war auch der vorbei und die Etappe lief auf wenigen Kilometern bis zum idyllisch gelegenen Haldenhof gemütlich aus.

Hinterneubronn und rechts an der Straße der Haldenhof

Der Gipfel

Wie schon erwartet – und wie Hornisgrinde, Brocken und Großer Feldberg auch – präsentiert sich der wirkliche Feldberg mit bescheidenem Wetter. Das wirklich passende Wort lasse ich zur Abwechslung mal aus. Vielleicht sollte ich nur noch in den Sommerferien wandern. Die gute Nachricht war, es hat kaum geregnet. Aber alle anderen waren da: Kälte, Schnee, Nebel, Wind. Und so kann ich diesmal nicht wie sonst ein aktuelles Foto für die Beschreibung der Etappe heranziehen. Die Wirklichkeit seht ihr oben.

Aber auch ohne all diese Widrigkeiten kann man sich das Leben schwer machen. Auf dem Weg nach Hinterzarten war der Weg gesperrt. Kein Problem, der Umweg über eine Straße war nur wenige hundert Meter weiter. Und so gut zu übersehen, dass ich über die Wiese abgekürzt habe. Kürzer war es wirklich. Aber danach waren Schuhe und Socken nass. Und was lerne ich wieder einmal: improvisierte Abkürzungen sind eine schlechte Idee.

Wegesperrung bei Hinterzarten

Ab Hinterzarten ging es dann langsam und stetig bergan durch einsamen Wald. Einzig der Hof Am Feldberg stach heraus. Und irgendwo im Nebel dahinter wird schon der Feldberg sein.

Blick auf den Hof Am Feldberg

Und noch was war besonders an diesem Tag, die schlampige Wegmarkierung. Warum auch immer das so war auf dem ansonsten exzellent ausgeschilderten Westweg. Ich habe mich einige Male an Abzweigungen irritiert umgeschaut, musste mal kurz in irgendeine Richtung (die falsche) gehen und schauen, dann umdrehen und so weiter. Und nach der Rufenholzhütte hatte ich die Wahl zwischen geradeaus und steil berghoch, habe letzteres gewählt und lange gar keine Markierung mehr gefunden. Da hatte ich dann die Schnauze voll und bin einfach weiter. Ich wollte schließlich hoch und wusste per GPS, dass der Weg gut passt. Und gerade als ich mich wieder abgeärgert hatte, tauchte die rote Raute des Westwegs auf. Na also.

Der Weg war jetzt auch richtig spannend, ab und zu schneebedeckt, voll Wasser und Matsch, Felsen, Wurzeln, ein alpines Turnen etwas. Einige Holzbohlen sollten dem Wanderer helfen, waren aber eher kontraproduktiv, weil rutschig oder morsch oder lückenhaft. Aber schön war’s trotz der Kälte.

Bohlenweg am Feldberg

Kaum war ich aus dem Wald raus, stand ich sofort im Wind. Aber so was von. Mich hat es am Anfang zweimal regelrecht aus dem Pfad geblasen, bis ich mich darauf eingestellt hatte. Nun war wirklich nichts mehr zu sehen. Sichtweite war maximal 20 Meter. Der Sendeturm im Foto oben hat mich regelrecht erschreckt, so plötzlich stand er neben mir. Wie auf der Hornisgrinde bin ich dann einfach so schnell wie möglich rüber und raus aus dem Mist. Hat hier vielleicht 30 Minuten gedauert.

Zwischen Seebuck und Feldberg

Im Abstieg habe ich im Windfang der geschlossenen St Wilhelmer Hütte Pause gemacht und trockene Unterwäsche angezogen. Ab da war alles gut. Die Strecke selbst ist im Vergleich zum Anstieg dann etwas langweilig. Ichfolge breiten Pfaden zuerst über den offenen Stübenwasen, anschließend durch gar nicht mehr so verwunschenen Wald. Am Ende habe ich einfach darauf gewartet, bis es vorbei ist. Die Schotterplatzwüste um die Skiarena Hochschwarzwald herum hat das auch nicht besser gemacht. Und ein agressiver Auerhahn hat sich auch nicht blicken lassen.

Am Stübenwasen

So bin ich schließlich ziemlich entspannt am Notschrei angekommen, bin in den Gratisbus gestiegen und nach Muggenbrunn in den Grünen Baum. Der hatte ein wirklich tolles Zimmer und gutes Essen für mich. Das war auch ein Gipfel.

Zivilisation

Auf dieser Etappe war wieder mehr Menschenwerk zu sehen. Das lag sicher auch daran, dass sich der Nebel gelichtet hatte. Aber es liegt auch an der Besonderheit des Mittleren Schwarzwald und der Wegeführung. Es geht durch bewirtschaftetes Gebiet, ich passiere laufend Einzelhöfe mehr oder weniger in Form des typischen Schwarzwaldhauses, werde von Hofhunden angebellt, ich treffe auf Forstarbeiter und Forstarbeiten:

Blick Richtung Bossenbühl

Und anfangs bringt sich auch die Bundesstraße 500 immer wieder in Erinnerung. Ich kreuze sie mehrfach, bis ich sie am Süßes Häusle verlasse. Mich stört das nicht, ich mag die Abwechslung. Ich denke unterwegs noch an die Kalte Herberge zurück. Man hatte in den letzten (Corona-)Jahren viel erneuert und steht richtig gut da. Das habe ich in einigen Unterkünften am Weg gesehen und frage mich, ob mir das im Rest der Republik einfach nicht aufgefallen ist oder ob das eine Westwegspezialiät ist. Wer weiß. Ich treffe heute acht weitere Wanderer, das sind viermal so viele wie auf allen 37 Etappen bis Pforzheim zusammen. Und es ist weder Saison noch gutes Wetter und ich treffe ja auch nicht jeden, der unterwegs ist. Vielleicht ist dieser Erfolg des Westwegs das Geheimnis. Könnte man in Hessen eigentlich auch versuchen, ich war da ja auch so gerne. Aber das ist nur eine Laienmeinung vermutlich.

Nach dem Süßes Häusle ist der verwunschene Wald wieder da, ich fand es wieder magisch. Zumal mich der angesagte Regen in Ruhe gelassen hat.

Wald in Richtung Doldenbühl

Die vielen Flechten, die kleinen nachwachsenden Bäume im Unterholz, die Frische und Kühle (na ja, eigentlich Kälte, aber das war mir egal) der feuchten Luft, und das Moos hat regelrecht geleuchtet. Ich konnte es heute intensiv genießen, die Strecke war läuferisch anspruchslos und recht kurz.

Leuchtendes Moos – ein Versuch

Der dritte und letzte Teil des Tages war dann von vielen Aussichten im Abstieg Richtung Titisee geprägt. Los ging es schon am “Land-Sitz” im sanften, langen Anstieg zur Weißtannenhöhe. Die ist auch immerhin 1190m über NN, aber das merkt man kaum. Nach dem gemütlichen Wanderheim Berghäusle – das ich rechts liegen lasse, ich will heute nachmittag möglich lange und in Ruhe auf den Titisee schauen – kommt das erste Mal der Feldberg in Sicht. Der ist morgen dran, und was muss ich sehen: Schnee. Nach Sonne, Wolke, Nebel, Regen ist das wohl auch noch nötig. Na ja, ich bin gespannt.

Ganz hinten der Feldberg

Heute aber ist die Sicht ins Tal recht klar und mit der ab und zu durchscheinenden Sonne immer wieder eine kurzen Halt wert.

Am Geigershof, im Hintergrund versteckt sich irgendwo Hinterzarten

Und ich gehe am Golfplatz des Golfclub Hochschwarzwald vorbei. Aus altem Interesse schaue ich so genau hin, dass ich einen Abzweig des Westweg verpasse. Waren aber nur 200m zu viel und verschmerzbar. Und der richtige Weg ging dann noch an einem Übungsplatz vorbei. Da war dann auch noch ein bißchen zu sehen.

Was ich aber weder von oben noch im Abstieg sehen kann, ist der Titisee. Der kommt wirklich erst auf den letzten Metern in Sicht, auf einem kleinen Fußweg zwischen einem Bagger, einem unaufgeräumten Hinterhof und einer unansehnlichen hohen Hecke. Das Bild erspare ich Euch jetzt. Genauso wie ein Kommentar zum Ort, hier herrscht eine andere Art Tourismus, wo sich der Wanderer ziemlich fremd vorkommt. Aber das ist auch ok.

Im Nebel

Am nächsten Tag hat uns das schlechte Wetter wieder, diesmal in Form von Nebel. Und es war wieder kalt und ungemütlich. Aber trotz Kälte und Nebel und Niesel am Anfang – oder gerade wegen ihnen – war diese Etappe fast ein bißchen magisch, etwas unheimlich, sehr still und wir waren über weite Strecken im Nebel eingepackt und mussten vertrauen, dass im Nebel nicht das Grauen wartet. Oder so ähnlich.

Der Blindensee

Angefangen hatte es mit einem kleinen Unglück im Glück. Als wir in Schonach fast an der Bushaltestelle angekommen waren, hielt plötzlich ein Auto neben uns und heraus sprang ein Mitwanderer, der uns Mitfahrt auf die Wihelmshöhe anbot. Das war sehr willkommen, und so sind wir ins Auto seiner Pensionswirtin eingestiegen und mit ihr hochgefahren. Oben angekommen, wollten wir ihr so kurz wie möglich zur Last fallen und sind zügig ausgestiegen. Und weg war sie. Und weg war auch mein Regenschirm, wie ich dann feststellen musste. Das fing ja gut an und ohne Regenschutz wollte ich nicht los. Gerettet hat uns die Wirtin der Wilhelmshöhe, die mir aus ihrem Fundus verlorener Schirme ein schickes gepunktet türkises Exemplar geschenkt hat. Danke dafür !

Dann ging es los, und da ich ja jetzt wieder einen Regenschirm hatte, hörte der Niesel bald auf. Und es blieb der Nebel. Ich hätte gerne von den kleinen Höfen berichtet, an denen wir vorbeikamen, von der Donauquelle, dem Gasthaus Kolmenhof und vielem mehr. Aber was wir sahen war das:

Möglicherweise ein Hof voraus

Wir haben das beste daraus gemacht und hatten sowieso viel zu erzählen. Nach einiger Zeit kamen dann die Felsen zurück, nur beim Günterfelsen auch hoch aufgetürmt, sonst als Unterholz im nebligen Wald. Wir fanden es großartig und sind aus dem Fotografieren kaum rausgekommen.

In der Nähe der Günterfelsen

Und als wir das Gefühl hatten, jetzt mal eine Pause zu brauchen, kam pünktlich der Brend nebst Gipfelgasthaus. Perfekt.

Wald am Brend

Der Rest des Tages verlief dann längere Strecken auf Asphalt, was ich persönlich in Ordnung finde. Da der Westweg allerdings ein Qualitätswanderweg ist und nicht so viel Asphalt und Schotter enthalten darf, hat man einige Male eine unbequeme, verschlängelte, von Wurzeln durchsetzte Alternative geschaffen. Das wirkte manchmal ein bißchen gezwungen, manchmal wie blanker Unfug und wir haben es dann ignoriert. Was wir aber weiterhin nicht gesehen haben, waren die Höfe und Siedlungen an unserem Weg. So war es halt.

Und am Ende haben wir die Kalte Herberge schon gegen 4 Uhr erreicht. Die machte ihrem Namen so gar keine Ehre und war gemütlich und warm. Gott sei Dank!

Die Kalte Herberge

Der Wanderspielplatz

Auf dieser Etappe ist noch ein guter Freund zu uns gestoßen, also waren wir zu viert. Der ganze Tag war wieder sehr unterhaltsam und wir haben viel gelacht. Mussten wir auch, denn die Etappe war als die anstrengendste des Westwegs angekündigt. Ich hatte das aus den Zahlen gar nicht so gesehen, 1170 Höhenmeter sind zwar viel, aber eben auf drei Anstiege verteilt und 20 Tageskilometer sind eher wenig.

Wie falsch ich lag ! Wir waren 10 Stunden unterwegs und kamen platt und verfroren letztlich im Gasthaus Schwanen in Schonach an. Die Wilhelmshöhe bot zu dieser Jahreszeit leider noch keine Unterkunft, also ging es zusätzlich halt noch ins Tal. Der Schwanen entpuppte sich als sympatisch, urig und voll, wir bekamen noch eine gemütliche kleine Ecke für uns vier und das war dann genau richtig.

Aber von Anfang an. Direkt ab Hausach ging es steil bergan, zunächst an Burg Husen vorbei. Hier hatten wir noch einmal einen schönen Überblick über Hausach.

Blick zurück nach Hausach

Nach der ersten Steilstufe öffnete sich das Breitenbachtal linkerhand, wo sich nach kurzer Zeit schon andeutete, was uns den ganzen Tag begleiten sollte: es gab was zu sehen am Wegesrand. Hier war es ein Kühlschrank zur Selbstbedienung mit Vertrauenskasse, der zur neuen Hodelsteinhütte gehört. Wer kurz vor 10 schon Bier goutiert, gerne. Für alle anderen gabs auch Wasser und Limo. Wir haben (noch) verzichtet. Später am Tag kamen noch zwei solche Angebote, und spätestens als Obstler drin war, war es mit der Disziplin vorbei.

“Naturkühlschrank” an der Hodelsteinhütte

War der Anstieg zum Farrenkopf dann geschafft, folgte wirklich eine kleine oder auch größere Sehenswürdigkeit auf die nächste. Es ging mit den Windkraftanlagen los, deren riesige Dimensionen wir hautnah erleben konnten. Als ich 2015 zuletzt hier war, waren die gerade im Bau. Alte Fotos bezeugen das. Dann folgten die Schanzen, das sind Reste von Befestigungsanlagen aus dem 17. und 18. Jahrhundert.

Eine der vielen Schanzen am Weg

Es folgten die Felsen. Zwei von denen, die Huberfelsen und der Karlstein, türmen sich recht hoch auf und werden als Aussichtspunkt genutzt. Wir konnten natürlich nicht widerstehen, obwohl die Beine dann doch schon etwas schwer wurden. Aber das gute am Karlstein war die Aussicht auf die Schöne Aussicht 200 m darunter. Die hat wirklich gute Schwarzwälder Kirschtorte und wir wussten das. Einige von uns hat das durch den kompletten Tag gezogen. Alter Selbstmotivationstrick.

Der Karlstein

Gestärkt und ausgeruht haben wir uns dann auf die letzten Kilometer gemacht, das war eine ganze Zeit lang ziemlich entspannt. Und es gab am Wegesrand ja weiter einiges zu sehen. Ein altes Gasthaus, ein kleiner Moorsee, ein Hof mit zwei wilden Hausschweinen oder häuslichen Wildschweinen (so was kann ich nicht unterscheiden), Hühnern am Wegesrand, besagter Obstlerquelle und zuletzt das schöne Gasthaus Wilhelmshöhe.

Am Gummelenhof

Da war es schon ziemlich spät und wir hatten die Qual: 30 min auf den Bus warten oder 30 min ins Tal wandern. Die Wahl fiel auf Wandern, um nicht 30 min an der Bushaltestelle frieren zu müssen. Genützt hat es nichts, siehe oben.

Sonnige Aussicht

Ich schaue morgens aus meinem Zimmerfenster im wunderbaren Harkhof und sehe blauen Himmel. Die Sonne scheint, nur im etwas entfernten Tal des Harmerbachs sehe ich noch Wolken – von oben !

Auf dieser Etappe werde ich von Bruder und Schwägerin begleitet. Sie kommen kurz nach zehn zum Harkhof mit provozierend leichtem Gepäck. Das Auto steht in Hausach, sie beladen sich erst morgen voll. Wir starten mit guter Laune und kommen nach kurzem kräftigen Anstieg auf den Westweg und mit ihm in den Wald. Auch wenn es im Schatten immer noch frisch ist, die Sonne hilft einfach.

Mal wieder Sonne im Wald

Wir haben viel zu erzählen und so geht die Schönheit des Waldes fast etwas unter. Denn es bleibt sehr abwechslungsreich mal lichter, mal dichter, mal wilder, mal liegt ein Gerippe im Weg.

Vermoostes Skelett im Weg

Auch die Wege wechseln von Schotterweg zu Forstweg zu Pfad und von bergauf und bergauf in kurzweiliger Folge. Irgendwann stoßen wir auf einen einsamen Schuh und fragen uns schon, wie der seinen Weg hierher gefunden hat. Wir hätten ihn mitnehmen sollen. Wenige Meter später kam uns schon der Familienvater entgegen, der den am Rucksack nicht richtig gut befestigten Schuh der Tochter wieder einsammelte. Die etwas mißmutig wirkte und sich in der Zwischenzeit lieber ihrem Videospiel widmete …

Ich habe mir noch eine zweite Frage gestellt, nämlich wo der Nordschwarzwald eigentlich aufhört. Als durchgängiges Waldgebiet in größeren Höhenlagen vermutlich heute am Kinzigtal. Aber genau konnte mir das Internet diese Frage auch nicht beantworten. Ich hätte an der Hohenlochenhütte fragen sollen, die zur Mitte der Etappe vor uns auftauchte. Der Wirt bot uns Einkehr an, aber wir haben dankend abgelehnt. Wir hatten uns schon auf Kaffee und Kuchen am Etappenziel eingeschossen.

Die Hohenlochenhütte

Das kam am Spitzfelsen in Sicht, und zwar sehr beeindruckend:

Das Kinzigtal mit Hausach

Es gibt hier zwei Bänke, eine kleine Schutzhütte und einen tollen Blick ins Tal, den wir für eine kleine Pause genutzt haben. Und wir haben mit einem Jakobswanderer geplaudert, der die süddeutschen Jakobswege erwandert. Dann ging es weiter, teilweise in steilen Serpentinen hinunter ins Tal. Und dort war es nicht nur immer noch sonnig, sondern erkennbar wärmer, die Vegetation war weiter, es roch nach frischem Grasschnitt und wir hatten den ersten Anflug von Sommerfeeling.

Willkommene Gesellschaft

Besuch war da! Meine Mutter und ihr Lebensgefährte waren am Vorabend nach Zuflucht gekommen und haben mir Gesellschaft geleistet. Das war sehr schön und hätte gerne auch länger dauern können. Aber lange Strecken Gehen ist leider nicht drin. So es war ein schöner Abend mit ihnen und heute ein schönes Frühstück. Als ich wieder unterwegs war, haben sie sich noch das Nationalparkzentrum in Ruhestein angeschaut, das ganz toll gewesen sei.

Morgens habe ich mir also etwas mehr Zeit gelassen und bin durch Zufall – wie schon am Vortag – gleichzeitig mit einer ebenfalls Streckenwanderin in der Tür des Zuflucht gestanden. Im Gegensatz zu gestern haben wir uns heute zusammengetan und so eine komplette kurzweilige Etappe erlebt und über Gott und die Welt geredet. Aber in Hark war nach drei Tagen Schluss für sie und sie hat sich ins Tal verabschiedet. Viele Grüße, falls Du das liest! Und ich habe es mir im Harkhof gemütlich gemacht.

Eines ist hier bemerkenswert: der Westweg ist der erste Wanderweg auf meiner gesamten Strecke seit Berlin, auf dem tatsächlich andere Streckenwanderer unterwegs sind. Beziehungsweise ich welche getroffen habe. Ich erinnere mich bislang nur an einen Wanderer, den ich an der Teufelsmauer aus der Ferne gesehen habe. Und ich habe kurz mit einer Streckenwanderin gesprochen, die eine sehr große Rundtour durch Hessen und den Bayrischen Wald vor sich hatte. Zwei. Das war alles. Aber der Westweg lebt und das finde ich doch beachtlich und natürlich auch verdient.

Und noch was war heute besonders: es schneit. Allen Ernstes, aber wir sind für meine Verhältnisse schnell gelaufen und so wurde es mir nicht wirklich kalt. Und wir haben nur eine kurze Pause gemacht und von oben auf den sehr stillen und verborgenen Glaswaldsee geschaut:

Der Glaswaldsee

Man sieht schon, diese Etappe führt über weite Strecken wirklich durch den schwarzen Wald …

Entlang des Weges nach Hark

… und sie berührt außer an der Alexanderschanze und der Freiersberger Hütte keine Zivilisation oder gar Gasthäuser.

Westwegtor an der Freiersberger Hütte

Obwohl sich der schwarze Wald gerade in der Kälte und im Nebel beeindruckend darstellt, war ich doch richtig glücklich, als kurz vor dem Ziel die Sonne rauskam. Und der toll gelegene und schön modernisierte Harkhof reihte sich nahtlos in die Folge guter Unterkünfte am Westweg ein. Und nicht umsonst bringt er sich entlang der gesamten Etappe immer wieder mit Hinweisschildern in Erinnerung.

Hinweis auf den Harkhof schon in Zuflucht

Es waren die angezeigten 19 km, wir haben Kaffee und Kuchen genommen und später gab’s für mich Flädlessuppe und Wurstsalat in der gemütlichen Gaststube.

Pfütze, Pfütze, Pfütze

Der Dauerregen hatte schon in der Nacht eingesetzt und die Vorhersage war fürchterlich. Dementsprechend hatte ich mich gefreut, als ich beim Frühstück im Regenradar ein trockenes Fenster zwischen 9 und 10 Uhr gefunden habe. Das sollte reichen, um über die Hornisgrinde zu kommen, den Höhepunkt der Etappe und des Nordschwarzwalds.

Von Unterstmatt Richtung Hornisgrinde

Das war dann in den ersten Minuten auch so und ich konnte den nur stellenweise steilen Anstieg durch wilden Wald trotz der Kälte des Tages genießen. Und nach vielleicht einer halben Stunde war der weithin sichtbare Funkturm schon in greifbarer Nähe.

Aufstieg zur Hornisgrinde

Aber dann war Schluß mit lustig. Ich weiß nicht, was mit ihnen los ist. Aber wie schon auf dem Brocken und dem Großen Feldberg war es auch auf dem dritten prominenten Mittelgebirgsgipfel meiner Tour – eben der Hornisgrinde – richtig mies. Der Regen war viel zu früh wieder da, der Wind eh sehr stark und weil das Gipfelplateau herrlich kahl ist, stand der Wanderer richtig in der Dusche. Da galt es nur, so schnell wie möglich wieder runter, für den Bismarckturm und den Aussichtsturm blieb keine Zeit.

Turm ohne Aussicht

Im übrigen gehört noch eine Windkraftanlage zum Gipfelinventar. Die passiert man so nah, dass ein Schild vor Eisschlag warnen muss. Und die hat so geklappert, dass ich ernsthaft überlege, mal beim Wartungsdienst anzurufen. Aber wahrscheinlich kriegen die hundert Anrufe jedes Jahr und gähnen nur.

Weiter gings zum Mummelsee hinab und Richtung Seibleseck und Ruhestein. Und da kam dann schon die Überraschung des Tages. Da ich mich nur sehr oberflächlich auf die örtlichen Gegebenheiten vorbereite, hatte ich aus dem Kartenbild eine langweilige Überführungsetappe im Standardwald herausgelesen. Was ich aber gefunden habe, waren lange Passagen auf schmalen Pfaden durch nur halbhoch bewachsenes Land, heideartig, auch mal mit niedrigwachsenden Latschenkiefern, mal eine junge Fichte zwischendrin und wild. Das wäre – passendes Wetter vorausgesetzt – richtig romantisch gewesen. So war ich aber wenigstens längere Passagen gut gegen den Wind geschützt.

Nicht aber gegen den Regen natürlich. Und die Pfade waren bei genauerem Hinsehen eigentlich Dauerpfützen. Das Bild vom Abschnitt Richtung Schliffkopf übertreibt nicht.

Richtung Schliffkopf

So habe ich recht früh Pause gemacht, mich in der bewirtschafteten Darmstädter Hütte mit Pfefferminztee und Erbsensuppe aufgewärmt und die feuchten Kleider auf die Heizung gelegt. Den Regen habe ich draußen gelassen.

Als alles wieder gut war, hatte ich das ziemlich häufige Wanderglück: der Regen hörte auf. Und zwar genau bis zu dem Moment, als ich in Zuflucht angekommen war. Der Tag entpuppte sich wie gesagt als abwechslungsreich, mit den genannten Pfützenstrecken, dunklem Wald und einigen gut zu gehenden breiten Hangwegen mit tollem Blick in die Täler. Falls der Nebel überhaupt mal ein Fenster aufgemacht hat. Und der Wind nicht genervt hat.

Rossbühl

Auf gehts

Diese Etappe hat es in sich, von Wellness keine Spur. Stattdessen kalt, trüb, immer wieder Niesel und sogar kurze Graupelschauer. Irgendwann hatte ich dann alles an, was ich dabei hatte. Inklusive Mütze und Handschuhe.

Die Herausforderung des Tages kommt gleich am Anfang, der vergleichsweise lange und steile Anstieg von Forbach zum Seekopf. Es geht im Dorf direkt los, erst Asphalt, dann Schotter, und nach einiger Zeit auf sehr schönem Waldpfad:

Anstieg von Forbach kommend

Mir fällt unterwegs auf, dass ich bis jetzt noch keinerlei Waldbrache gesehen habe, die den Harz gerade so prägen. Entweder bin ich bis jetzt auf den falschen Pfaden unterwegs, oder der Schwarzwald wurde hier in letzter Zeit von Sturm und Borkenkäfer verschont, die dem Harz so zusetzen. Denn insgesamt ist die Vegetation schon vergleichbar, jedenfalls für mich als Laien. Und mir fallen einige Ameisenhaufen am Wegesrand auf, ich kann mich nicht daran erinnern, auf meinem Weg überhaupt schon welche wahrgenommen zu haben. Was mir aber auch auffällt, ich sehe kein Wild, nichts größeres als Eichhörnchen und Rotkehlchen (immerhin!). In Brandenburg sind Rehe, Füchse, Kaninchen Alltag, von Wildschweinen finde ich immer wieder Spuren. Hier: nichts. Keine Ahnung warum das so ist. Aber wenigstens bei den Wildschweinen ist das ganz beruhigend.

Und wo ich schonmal beim Harz bin, auf halber Höhe zum Seekopf kommt die Schwarzenbachtalsperre. Diese könnte exakt so auch im Harz sein.

Schwarzenbachtalsperre

Bei diesem Wetter fand ich den See eigentlich häßlich, dunkel, kalt, trostlos, die Bäume stehen kahl in Reih und Glied um ihn herum und die sehr breite Schotterstraße fehlt auch nicht. Einzig auffällig waren die im Wasser stehenden Bäume, vielleicht kann man es auf dem Foto erkennen. Schnell weiter.

Der weitere Aufstieg verlief dann wieder durch den dichten und wilden Nadelwald. Zum Schluss auch wieder auf schmalem felsigen Pfad, ich fand es bei der Nässe und Kälte aber eher nervig, auf jeden Fußtritt achten zu müssen. Oben angekommen eine kleine Überraschung (na ja, ich wusste das eigentlich schon): der Höhenrücken vom Seekopf zur Badener Höhe ist nicht bewaldet, sondern sieht aus wie irgendwas zwischen Moor und Heide mit wenigen hohen Bäumen zwischendrin. Und am Seekopf selbst wird per Gedenkstein an den “Schöpfer des Höhenweges” Phillip Bussemer gedacht. Vielen Dank !

Zwischen Seekopf und Badener Höhe

Auf der Badener Höhe selbst habe ich den Aussichtsturm ausnahmesweise mal ausgelassen und bin schnell wieder bergab, bis ich zum ersten Mal an die Schwarzwaldhochstraße gekommen bin. Die begleitet mich den Rest des Tages (und das wird sie auch morgen tun). Alle paar Kilometer findet sich hier eine kleine Siedlung, die oft mehr an vergangenen wie zeitgenössischem Tourismus erinnern. Ich passiere Sand, Hundseck, mein Tagesziel ist ja eh Unterstmatt. Ich frage mich, wie das früher lief. Kam man aus dem Tal hoch zu Kaffee und Kuchen, 20 min Spaziergang um den Parkplatz und dann wieder ab nach Hause? Oder cruiste man im Käfer Cabrio von Nord nach Süd? Keine Ahnung. Auf telefonische Nachfrage bei meinem persönlichen Badenexperten Peter lerne ich, dass hier einmal ein Zentrum des deutschen Tourismus war, bevor die Mallorcaphase eingesetzt hat. Vierzehn Tage Sommerurlaub in einem der Hotels oder Gasthäuser der Schwarzwaldhochstraße – gebongt. Gerne auch jedes Jahr wieder ins gleiche. Dazu kamen die lokalen Ausflügler und im Winter gab es reichlich Schnee. Davon zeugen einige Skipisten, die mir heute begegnen. Eine davon hat immerhin noch einen Lift, die anderen renaturieren halt. Und einiges ist ja noch da, mit Maß und Verstand modernisiert und für die neuen Zielgruppen Wanderer, Radler, Motorradfahrer optimal. Das sind die die ich heute sehe.

Aber bevor ich in Unterstmatt ankomme, gehts nochmal aufwärts, diesmal zum Hochkopf. Der Blick auf den Rhein und auch der zurück auf die Berge oberhalb Baden-Badens, die Bühler Höhe, die Badener Höhe und mehr ist wirklich toll. Man siehts vielleicht ein bißchen:

Blick vom Anstieg zum Hochkopf

Der Hochkopf selbst ist wieder von sehenswertem Moor und Heide bewachsen, fast baumlos und sehr wild. Noch sind die Gräser allerdings braun, das muss im Sommer ein traumhaftes grünes Meer sein. Nach kurzem Abstieg komme ich in Unterstmatt an und freue mich nach diesem Tag auf eine gut geheizte gemütliche Gaststube.

Zur großen Tanne in Unterstmatt