Es wird sportlich

Die Etappe ist lang, sehr lang, aber ich habe Ehrgeiz. Ich bin am Ende des Tages 67 km südlich von Frankfurt und stolz drauf. Und der Tag heute stellt sich trotz seiner Länge als sehr kurzweilig heraus, weil die Etappe durch 4 deutlich verschiedene Biotope führt.

Aber der Reihe nach. Als allererstes folge ich der Nepaltaktik. Ich hatte mal gehört, die große Lasten tragenden Sherpas auf Himalaya-Expeditionen machen pro Stunde 5 min Pause und sonst nichts. Das mache ich auch, und ich sage mir immer wieder selbst, nicht so schnell zu gehen. Dazu neige ich, wenn ich alleine gehe.

Dann habe ich lange über den Weg nachgedacht. Erste Option war die Durchquerung des Odenwaldes selbst. Der soll sehr schön und geradewegs ein Geheimtipp sein. Dagegen spricht, dass ich seit Wochen im Wesentlichen durch Mittelgebirgswald gehe und es später im Nordschwarzwald auch wieder so wird. Die zweite Option Bergstraße verspricht mehr Abwechslung. Da gibt es den prämierten Burgensteig, der im steten Auf und Ab die namengebenden Berge und die darauf liegenden Burgen abklappert. Das ist sicher wilder als die vielen Feldwege bisher. Dagegen spricht, dass ich in den Alpen genug felsige Pfade gehen werde. Und ab der dritten Burg könnte es vielleicht etwas langweilig werden. So toll finde ich Burgen dann auch nicht. Und der Weg ist 30 km länger als die dritte Option, der Blütenweg in der Bergstraße. Der braucht wesentlich weniger Höhenmeter und verläuft auf halber Höhe durch die Ortschaften und Weinberge. Ich entscheide mich für den Blütenweg, die Variante der Warmduscher.

Und als ich mir das zu Ende überlegt hatte, war ich schon am Stadtrand von Darmstadt. Zuerst in Form von Wiesen und Äckern, und ich war so froh, mal wieder weit schauen zu können und einen großen Himmel vor mir zu haben.

Oberfeld bei Darmstadt

Im weiteren Verlauf tauchte dann die übliche Stadtrandmöblierung auf: Spazierwege, Parkplätze, Grillplätze, Kinderbauernhöfe, Waldkindergärten, Spielplätze, ein Zoo. Und auch das übliche Personal, am Vormittag praktisch nur Frauen, das ist schon krass. Mit Kindern, Hunden oder joggend. Dann hab ich noch zwei Schulklassen auf Wandertag gesehen, wobei es das vielleicht nicht ganz trifft. Die erste Klasse schaffte gerade mal 100m vom Park- zum Grillplatz, die zweite Klasse hing gleich direkt am Parkplatz (des Ludwigturms) herum. Nun ja.

Anschließend wurde es bergig und der Weg verwandelte sich in einen klassischen Waldpfad mit kurzen knackigen Anstiegen.

Direkter Steig zur Burg Frankenstein – später als “Himmelsleiter” bezeichnet

Das ganze setzte sich im Prinzip ziemlich lange bis über die Burg Frankenstein hinaus fort. Das erforderte dann schon etwas mehr Krafteinteilung, und das Publikum des Darmstädter Stadtrandes war dann auch größtenteils wieder weg. Aber es hat mir viel Spaß gemacht, und Vorfreude auf die Alpen. Blöd war nur, dass die Burg selbst nicht besichtigt werden konnte, sie ist von 17. Sep bis 14. Nov (!) wegen Halloweenaufbauten gesperrt. Was auch immer sie da machen, es gibt eine Website dazu (www.frankenstein-halloween.de).

Vor verschlossener Tür der Burg Frankenstein

Und zum Schluss kam dann noch der Warmduscherweg. Und der war vielleicht schön. Er empfängt mich mit intensiv süß riechenden Hecken entlang eines kleinen Fußwegs (natürlich keine Ahnung was das war). Und müsste zu Beginn eigentlich Gartenweg heißen, weil er sehr lange durch die am Hang liegenden Ortsteile führt, von Vorgarten zu Vorgarten zu Park zu Vorgarten zu Acker und Weinberg und wieder Garten der Häuser dort. Die Sonne scheint und es blüht am 20. September noch einiges und der Rest ist grün und an den Weinstöcken hängen die vermutlich fast reifen Reben weiß und rot. Auf den Sträßchen waren freundliche Leute, nicht zu viel und nicht zu wenig. Ich habe mich wirklich gefragt, ob ich auf meiner Wanderung bislang eine lebenswertere Gegend gesehen habe wie diese hier. Denn es ist ja nicht nur warm und schön, sondern man ist ohne Probleme schnell in Frankfurt und am Horizont sieht man die Industrie, in der viele gutes Geld verdienen. Man darf nur nicht zu weit oben wohnen, dort hört man den Lärm der A5. Und muss sich natürlich ein Architektenhaus am Hang leisten können 🙂

Weinberg zwischen Alsbach und Zwingenberg

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