Die Josefstaktik

Nach einer wunderbaren Nacht auf der Alp Hobiel und einem guten Frühstück inklusive Käse aus eigener Milch haben wir uns nach herzlicher Verabschiedung von der Wirtsfamilie wieder auf den Weg gemacht.

Der war aber gar nicht so einfach. Denn schon am Vorabend war Schlechtwetter angesagt, Unwetterwarnung Stufe Gelb mit der Möglichkeit schwerer Gewitter ausgegeben, kurz nach dem Aufstehen hatte dann auch der Regen eingesetzt und es sah nicht so aus als werde das ein Wandertag.

Bei Gewitter hat man auf dem Berg nichts zu suchen. Die Übernachtungen waren aber schon gebucht. Also habe ich überlegt, diese Etappe einfach auszulassen und per Bus zur nächsten Unterkunft zu fahren. Oder in Engelberg zu bleiben und alle weiteren Übernachtungen einen Tag nach hinten umzubuchen. Alles nicht so toll. Und vor allem wurde mir schon am zweiten Tag klar, dass die weitere Wanderung Richtung Nizza anders zu organisieren ist und anders ablaufen wird wie bisher.

Die Lösung des Problems kam vom Großvater der Alm Josef Zurfluh: es gebe eine Seilbahn zum Trübsee und zum Jochpass und man könne sich eh nicht auf die Vorhersagen verlassen, oft komme es anders. Man gehe Schritt für Schritt vor und sehe dann weiter und das haben wir gemacht. Von der Alp zur ersten Seilbahn, die wurde aber zum Abtransport der Käseleibe der Sennerei gebraucht und war auf 2 Stunden belegt. Also zur nächsten Seilbahn jetzt im Regen, die fuhr aber nicht wegen zu starkem Wind und so warteten wir im Restaurant, bis die Seilbahn fahren konnte. Unten an die Bushaltestelle, das Wetter wurde aber freundlicher und deshalb zu Fuß weiter. Am Campingplatz wieder auf die Wetterapps und den Himmel geschaut, die nächste Stunde blieb trocken und so sind wir zur Gerschnialp auf- und nicht nach Engelberg ausgestiegen. Auf der Alp wiederum regnete es, aber man versicherte uns, der steile Pfad sei gut befestigt und bei den Bedingungen gut benutzbar. Also hoch zum Trübsee. Und dort sah es nach ein bis zwei Stunden Wetterruhe aus. Ich habe mich aber nicht getraut, bei der instabilen Witterung die verbleibenden drei Stunden ohne Notausgang zu wandern. Zumal Christoph sich an dieser Stelle leider nach Hause verabschieden musste. Also mit dem Sessellift hoch zum Jochpass und die letzte Stunde bergab zum Ziel. Hat auch alles gepasst. Kurz bevor ich unten ankam, ging der Regen wieder los. Und etwas später folgte dann auch das Gewitter. Insgesamt bin ich mit der Josefstaktik praktisch die gesamte Etappe gewandert und am geplanten Ziel sicher angekommen.

Die erste Seilbahn – die Fürenalpbahn – war überraschend spektakulär, eine kleine 6-Personen-Gondel mit Seilbahnfahrer fuhr nach sanftem Beginn über die Kante der dortigen beeindruckenden Felswand und wir hatten völlig unvorbereitet 600 m Luft unter uns. Wer genau hinschaut, findet die kleine rote Gondel:

Fürenalpbahn

Die Steilheit des Anstiegs zum Trübsee konnte ich leider nicht richtig ins Bild setzen, aber man erkennt es vielleicht am Vis-à-vis mit den Gondeln der Luftseilbahn von der Gerschnialp.

Luftseilbahn kurz vor der Bergstation

Der Trübsee wiederum ist tatsächlich trüb, aber ob er deshalb so heißt weiß ich nicht. Das gesamte Kar um ihn herum und das Panorama ist als solches sehr sehenswert. Trotzdem ist nicht zu übersehen, dass wir im Skigebiet Engelberg-Titlis sind. Und dank der Seilbahnen findet sich hier viel internationales Publikum ein, dem Wandern gelinde gesagt eher fremd scheint. Ein arabisches Paar hat uns direkt angesprochen und war erstaunt und begeistert, dass wir zu Fuss hier hochgekommen sind und schon seit 6 Stunden unterwegs! Fand man cool, gab ein Faustcheck. Wir waren dann auch begeistert. Und gleich im Anschluss gabs ein Daumen-hoch von einem Inder (Disclaimer: ich weiß). Ich war stolz auf uns. Trotzdem habe ich das alles aus dem Foto ausgeblendet.

Der Trübsee

Dann noch den Engstlensee von oben, die Engstlenalp mit Hotel ist ein paar Meter unterhalb und als kleiner weißer Fleck zu sehen. Ich schwöre, ich habe das Bild fotografiert und nicht gemalt.

Engstlensee

Das Hotel selbst bietet sehr schöne “Nostalgiezimmer” an, die wirklich wie aus dem 19. Jahrhundert wirken, von der elektrischen Beleuchtung mal abgesehen. Eine ganz andere und auf ihre Art ebenfalls sehr empfehlenswerte Unterkunft mit gutem 4-Gänge-Halbpensionsmenü.

Hotel Engstlenalp

Und zum Abschluss nochmal die Josefstaktik: ich wusste von vorneherein, dass am Hotel der Bus fährt. Die Wettervorhersage ist nämlich auch für den folgenden Tag schlecht und es braucht auch hier den Plan B.

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