Wind und Weide

Dieser Tag fängt an wie der gestrige aufhört, mit Regen. Die Vorhersage verspricht Besserung gegen Mittag und vor allem drohen keine Gewitter. Also habe ich mit allen anderen Wanderern im Hotel das erste regenfreie Fenster abgewartet und die Etappe angegangen. Josefstaktik brauchte es nicht, aber ein paar Notausstiege habe ich mir schon zurechtgelegt. Das gehört zum Handwerkszeug in den Alpen.

Vor mir liegt zunächst der Anstieg zum Tannensee und eine wunderbare Wanderung auf einem Wiesengrat bis zum höchsten Punkt des Tages, dem Balmerhoren. Die offizielle Wegbeschreibung verspricht enthusiastische Ausblicke, mit Tiefblick ins Tal linkerhand und Fernblick zum Jungfraugebiet. Allein da sind die Wolken, und damit bleibt nur der Blick rechterhand zum Melchsee, siehe Blogfoto oben. Und der Regen und ein sehr unangenehmer Wind sind wieder da, und ach ja, kalt ist es auch. Ich beiße mich durch. Schließlich lockt zur Hälfte des Tages das Panoramarestaurant Alpentower, drunter macht man es im Skigebiet Hasliberg nicht, daher kenne ich das nämlich. Schön ist es irgendwie trotz allem.

Gratwanderung Richtung Balmeregghoren

Wind und Regen sind aber nicht die einzigen Herausforderungen. Wegen der Wolken sieht man es nicht so, aber weite Strecken des Weges sind ziemlich ausgesetzt. Das Gelände ist halt steil. Der Weg ist zum Glück hervorragend gebaut, oft aus dem Fels rausgehauen, mit Schotter begradigt, so dass es kaum Stellen gab, an denen ich über den nächsten Tritt nachdenken musste. Aufpassen aber schon. Und an einer Stelle hat man sogar eine Seilsicherung angebracht, bei einem derart breiten guten Pfad vielleicht ein ganz klein wenig übertrieben.

Perfekt eingerichteter ausgesetzter Pfad

Und dann sind da noch die Kühe. Die Wiesen hier werden sämtlich als Weiden genutzt und die Kühe stehen wieso auch immer gerne auf den Wanderwegen rum. Ist für sie vielleicht bequemer, was weiß ich. Kühe sind zum Glück recht entspannte Wesen, man muss sich nicht fürchten. Aber dass sie so tiefenentspannt sind, dass sie nicht einmal pro forma etwas zur Seite gehen, war mir noch nicht so klar. Und so gehe ich nicht ganz so tiefenentspannt hinter der Kuh durch. Man erinnere sich, das ist ein Grat. Sie hat nicht gezuckt, zum Glück. Ist heute noch ein paar Mal vorgekommen, aber nicht mehr auf einem so schmalen Pfad.

Man teilt sich den Weg

Kurz darauf verlasse ich den Grat und quere die Fels- und Wiesenhänge unterhalb des Rotstock. Jetzt bin ich komplett im Nebel, sehe nicht mal mehr die steil abfallenden Wiesen. Und es nieselt weiter, ich bin aber inzwischen im Windschatten. Und am Ende kommt der Alpentower tatsächlich und ich wärme mich bei einem Stück Haslikuchen auf (ist hier eine lokale Spezialität, irgendwas mit Nuss und Möhre).

Ich spiele kurz mit dem Gedanken, per Seilbahn die folgenden 1.800 m nach Meiringen abzufahren. Aber erstens Wanderehre, zweitens kein Regen in Sicht, drittens 45 CHF. Nun ja, ich gehe los. Und es ist wirklich oft so. Plötzlich ist alles auf einmal leicht. Der Weg ist superbequem zu gehen, der Wind legt sich, und der Himmel reißt auf. Und als ich ein Stückchen tiefer komme, habe ich sogar das Gefühl, es würde ein ganz klein wenig warm werden.

Das Haslital bis zum Brienzer See

Und so gehe ich über Stunden über die Almen und später den mir nur als Skigebiet bekannten Hasliberg bergab. Ich war hier schon einmal Skifahren und erkenne nichts. Außer den Liften und dem Ort Reutti. Ich merke nicht einmal, dass ich die ganze Zeit über die roten Abfahrten 18 und 19 absteige, ich hatte das Skigebiet ganz woanders vermutet. Schön ist es trotzdem und jetzt sehe ich ja auch ein bißchen was. Und ich freue mich, dass jemand eine kleine Tischdeko an einem Rastplatz hinterlassen hat.

Jemand hat den Berg dekoriert

Und als ich in Meiringen ankomme, brennen die Füsse, aber alles ist gut.

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