Man grüßt sich

Samstag 3. Oktober 2020 – 30 Jahre Einheit. Ich bin an der niedersächsischen Landesgrenze, allerdings Richtung Hessen. Das Wetter ist durchwachsen, aber schon noch mit ausreichend Sonne und Himmelsblau bei erträglichen Temperaturen. Ein perfekter Wandertag. Dementsprechend treffe ich recht viele Leute. Man grüßt sich freundlich (eine Wissenschaft für sich ob und wie man sich beim Wandern grüßt) und es ist schön, unterwegs zu sein.

Was aber auffällt: ob ich auf einem Europäischen Fernwanderweg unterwegs bin (in diesem Fall die Nummer 6 von Finnland nach Griechenland), oder auf einem der Wege des Hessischen Fernwanderwegnetzes (heute X13 Studentenpfad von Göttingen nach Gießen) oder irgendwo anders seit Berlin: ich treffe keine Weitwanderer, eigentlich gar keine Wanderer, nur Spaziergänger. Es scheint sich auf die Hotspots zu konzentrieren – Nord/Ostdeutschland gehört nicht dazu.

Ihr verpasst ein kleinteilig abwechslungsreiches und reiches Land mit exzellenter Infrastruktur von Naturerleben, Kulturlandschaften, wanderbaren Wegen bis zu unproblematischen und guten Unterkünften. Es fehlen eigentlich nur die Dorfgasthöfe für eine anständige Mittagspause.

Die Etappe allerdings beginnt früh im noch verschlafenen Göttingen, hier komme ich nur unweit von der Altstadt entfernt an den Grünstreifen an der Leine. Es riecht nach Angeln, Gassigehen und Morgenjoggen. Mit Rosdorf folgt eine unauffälllige Ortsquerung, dann bin ich im Freien und bald auch im Naturpark Münden. Am Horizont taucht das erste Nahziel auf, der Gaußturm auf dem Hohen Hagen. Abschnitte von Mischwald und offenen Feldern und Wiesen wechseln sich ab, zum Beispiel bei Bördel:

Der Gaußturm selbst auf dem Hohen Hagen ist leider geschlossen, so wandere ich einfach weiter. Im Abstieg folge ich der Direttissima über die Schedener Wiesen, nicht der Wanderwegsmarkierung – das lohnt sich. Auf wilder Waldrodung und sonnendurchfluteten Wiesen hat man weiten Blick übers flache Land und sieht im Rückblick auch, wieso der Hohe Hagen “Hohe” heißt. Der Anstieg von Göttingen kommend über ca 9 km fällt kaum auf, der Abstieg auf ähnliche Meereshöhe braucht nur 3 km. Nach Scheden wird es dann höchste Zeit für die Mittagspause.

Nachmittags wiederholt sich die Dramaturgie im Kleinen – erst Wiese dann Wald im stetigen Anstieg, bis man an der “Weserliedanlage” über Hann. Münden landet. Das ist eine kleine Terassenanlage mit Gedenktafel und Überblick über den Zusammenfluss von Werra und Fulda, der die Weser begründet.

Es folgt ein kurzer Abstieg nach Hann.Münden. Trotz des langen Tages bin ich die paar hundert Meter zum “Weserstein” gegangen, der den Zusammenfluss konkret markiert. Ziemlich unspektakulär am Ende, nur das “Deutsch bis zum Meer” von 1899 hört sich für mich nach dem beklemmenderen Teil unserer Geschichte an. Wieso ist das für einen so schönen Fluss wie die Weser wirklich wichtig?

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