Wieder in der Morgenfrische los. Ich war in der “Hupp Lodge” sehr gut untergebracht, hatte gut geschlafen, und das Frühstück auf der Panoramaterrasse war lecker. Weil die Unterkunft aber weit oberhalb des Ortes Läufelfingen liegt (und auch gar nicht zu diesem gehört), kamen erstmal 20 min Abstieg durch den Wald, bevor es 30 min ruhig ansteigend auf die Etappe ging.

Damit verlasse ich den Kanton Basel-Landschaft und gelange nach Solothurn. Man empfängt mich mit einem Landstraßenpass, einem Golfplatz und einer schönen Aussicht auf den restlichen Tag. Und nach einer starken Stunde bergab kommt mein Highlight des Tages auch schon, die Aare. Ein dunkeltürkisfarbener, ruhig und recht schnell strömender Fluß, dessen Anblick allein mich in der Sommersonne schon erfrischt. Die Aare ist der! Fluss des Mittelandes, der längste komplett in der Schweiz liegende Fluss, und sie führt mehr Wasser als der Rhein, in den sie mündet. Eigentlich könnte aus dieser Sicht Köln an der Aare liegen, keine Ahnung wieso das nicht so ist. Vielleicht gilt bei Flüssen auch rechts vor links.
Ich habe dann auch gleich am schattigen Ufer Pause gemacht und bin bis Aarburg so lange wie möglich direkt dran geblieben. Die Aare hat mich nicht nur virtuell erfrischt, ich habe mich über die Abwechslung gefreut und die Ruhe, die sie ausstrahlt. Allerdings hatte ich auch die ganze Zeit höllischen Durst und das Bedürfnis, in der Aare zu wandern und nicht daneben. Na ja, wenigstens habe ich ihr zwei Fotos gegönnt, das Blogfoto oben mit der Bahnhofbrücke und die Alte Brücke.

Im nächsten Ort Aarburg verlässt der Weg die Aare schon wieder und beschreibt einen ziemlich großen Bogen um das folgende Siedlungkonglomerat, man mag es auf dem Foto ahnen.

Der Weg verläuft eigentlich unterhalb der Burg auf deren Bergrücken hoch. Das habe ich aber ausgelassen, denn es begann das Drama meiner Mittagspause. Ich hatte nichts mehr zu trinken und musste ergo einen Supermarkt finden. Der lag halt nicht neben der Burg. Aber egal. Der Plan war einfach. Nicht direkt vor dem Supermarkt pausieren, sondern hoch auf den Berg und ein schattiges Plätzchen mit Aussicht finden. Als ich kurz darauf oben war, stellte sich heraus, dass oben nicht oben ist. Ich wollte auf keinen Fall nach der Pause weiter ansteigen müssen, also gings weiter. Wirklich oben angekommen, war ich aber im Wald und ohne Aussicht. Also auf die Karte geschaut, 10 min weiter kam offenes Land. Tja, das war aber ein Feld und im Moment setzte der Mähdrescher laut lärmend zur Arbeit an. Ich kann mich ja schlecht als Gast im Land über die Landwirtschaft beschweren, also gings weiter, wieder durch Wald. Und nach einiger Zeit folgte wieder eine Aussicht, diesmal auf die nicht so repräsentative Rückseite des nächsten Bauernhofs. Also weiter talabwärts zum nächsten Wäldchen, neben einem Maisfeld. Ich hatte aus lauter Sturheit bis dahin weder meine eingekauften Getränke angerührt, noch die Snacks, und war entsprechend ausgetrocknet und genervt. Das ganze hatte schon über eine Stunde gedauert, es hat dann gereicht. Also habe ich mich auf einen Holzstapel am Rand dieses Wäldchens gepflanzt. Ich hatte Schatten, ich hatte Ruhe, und das war die Aussicht:

Auch gut. Und wo ich schon dabei bin, mich nicht zu beschweren: in dieser Gegend ist eigentlich ganz schön was los. Irgendwo hatte ich gelesen, die Via Gottardo verlaufe auf stillen Pfaden. Davon kann in den ersten drei Tagen keine Rede sein. Das Mittelland ist Schweizer Siedlungsschwerpunkt und so ist der Weg dann halt auch. Ich laufe von Ort zu Ort, neben der Eisenbahn, kreuze Landstraßen und Autobahnen und sehe sehr viel, was man vielleicht geschäftiges Treiben nennen könnte. Es gibt Straßenbaustellen, Gebäudebaustellen, Bahnbaustellen, Gewerbe in jedem Ort, die Post ist unterwegs, Leute mit kleinen Kindern, man gönnt sich auch gerne ein Frühstück vor dem Cafe oder ein Mittagessen auf der Restaurantterrasse, die Bahn ist dauernd zu hören, der besagte Mähdrescher, Traktoren, auf jedem Bauernhof wird tagsüber gearbeitet, die Häuser sind fast alle entweder neu oder renoviert, das ist schon außergewöhnlich und wirkt sehr wohlhaben und trotzdem stressfrei. Der Schein wird trügen. Aber eigentlich ist das bisher eine Kulturwanderung, in dieser Dichte habe ich das auf dem gesamten Weg seit Berlin nur südlich von Frankfurt gesehen. Wobei das hier im Vergleich natürlich viel kleiner ist.
Und deshalb beschwere ich mich auch über die fehlende Ruhe der letzten Stunden nicht. Als Anerkennung hat man mir in Zofingen eine Straßenwalze zur Verfügung gestellt, die über 50 m exakt im selben Tempo neben meinem Ohr gefahren ist.
